WhatsApp-Diktatur

Das Mark Zuckerberg mit seinem Facebook-Instrumentarium polemisch gesagt bereits mit der Rohingya Flüchtlingskrise das Blut unschuldiger Leute an seinen Händen kleben hat, habe ich ja schon mehrfach hier im Blog erwähnt.

Folglich war der jüngste Bericht der c’t (← Lesebefehl!) über Wahlmanipulationen in Brasilien per WhatsApp keine großen Überraschung mehr.

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Wie schon in Myanmar versteht sich Herr Zuckerberg auch in Brasilien als Internetheilsbringer der armen Massen. Da WhatsApp dadurch im Ergebnis nicht auf das teure Datenvolumen angerechnet wird, steht es dort synonym für das Internet. #MyanmarFlashback

Diesmal drückt Herr Zuckerberg also einem potentiellen Militärdiktator das richtige Werkzeug in die Hände und ich bin mir sicher, auch diesmal wird er seine Bestürzung äußern und Besserung geloben.

Wie man nach all der negativen PR wegen Russlands kreativer Verwendung von Facebook im US-Wahlkampf 2016 und der schon erwähnten Flüchtlingskrise in Myanmar ein weiteres Mal der Unheilsbringer der Demokratie sein kann, ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel.

Natürlich sind die Leute, die diese Dienste missbräuchlich verwenden, die eigentlichen Bösen in der Geschichte, aber an Herrn Zuckerbergs Stelle würde ich mir schon mal die Frage stellen, was ich mit meinem unterlassenem Handeln zur Welt beitrage. Sonst teilt er eines schönen Tages Jessica Fletchers Schicksal, die sich offensichtlich auch nie gefragt hat, wieso ausgerechnet in ihrem Umfeld ständig jemand das Zeitliche segnet. Wieviel Leute wohl heute noch leben könnten, wenn die Dame mal daheim geblieben wäre? 😉

Das soll nicht heißen, dass ich soziale Netzwerke per se verteufele oder das Herr Zuckerberg sich im stillen Kämmerlein auf seine Hände setzen soll. Ich finde es ist nur an der Zeit, dass er deren inhärente Probleme adressiert bzw. daran arbeitet, statt ständig nur Bestürzung zu äußern.

Seine Idee, Entwicklungsländern seine Toilettenwand-Dienste als Internet-Gateway anzudienen scheint jedenfalls nicht gut durchdacht zu sein. Ich hoffe dass dahinter wirklich mehr steckt, als ein paar zusätzliche Werbedollars.

Vergifteter Apfel

Diese Woche empfehle ich ein Besuch des YouTube-Kanals von Louis Rossmann. 😀

Dort zeigt er als erklärter Apple-Gegner neben seinen ausführlichen Reparatur-Videos, die sogar das Austauschen von SMDs auf den Mainboards einschließt, wie schlecht Apple-Geräte konstruiert, deren Aufbau dokumentiert und wie wenig gewünscht eine Reparatur durch freie Werkstätten gewünscht ist.

Auch Dinge wie Geplante Obsoleszenz, die Preisgestaltung und Unternehmenskultur in Sachen zertifizierte Apple-Dienstleister (AASP – authorized Apple service provider) und deren Reparaturmöglichkeiten kommen zur Sprache.

Ich hatte aufgrund des geschlossenen Ökosystems und der horrenden Apothekenpreise der Produkte schon zuvor keine hohe Meinung von Apple, aber die Aussagen eines erfahrenen, freien Reparaturdienstleisters haben mich in der Ansicht bestärkt, dass die EU hier vielleicht doch mal näher hinschauen sollte.

Für mich unterscheidet sich das Geschäftsgebaren in keiner Weise von anderen Marktmachtmißbrauchsfällen wie Microsoft (Internet Explorer), Google (News, Shopping, Android) oder Facebook (WhatsApp).

Das sich Apple-Produkte dennoch immer noch wie geschnitten Brot verkaufen, wird mir wohl auf ewig ein Rätsel bleiben. Horrende Preise kombiniert mit schlechtem Kundenservice bzw. eingeschränkter Reparaturmöglichkeit sollte nach menschlicher Logik eigentlich dauerhaft am Markt nicht erfolgreich sein. Ich kann mir dass eigentlich nur mit der Gebrauchstauglichkeit (usability) erklären.

Die Leute wollen unkomplizierte Geräte, die nicht viel Einarbeitung erfordern und einen nicht mit zu großer Funktionsvielfalt überfordern und sind dafür bereit, entsprechende Preise zu zahlen. Also mehr für weniger.

Sagt das nun was über den Intellekt in unserer heutigen Gesellschaft aus oder ist das viel mehr ein Hinweis an andere Hersteller, mehr Zeit und Geld in die usability der eigenen Produkte zu investieren?

Ich habe mir da noch keine abschließende Meinung gebildet, da mir bei der Gelegenheit immer die Kritik von Linus Torvalds an der Designphilosophie des GNOME-Desktops einfällt. Die Bestrebungen der GNOME-Entwickler, den Desktop an vielen Stellen stark zu vereinfachen bzw. Funktionalität zu reduzieren hat ihn nämlich zu einer der viel zitierten Aussage verleitet:

If you think your users are idiots, only idiots will use it.

Wenn wir denn alle nur noch Apple-Produkte kaufen, würde uns dass nicht langfristig zu Idioten machen? Oder macht es uns alle produktiver, weil die Geräte „einfach nur funktionieren“ und wir uns nicht mehr mit deren Funktionsweise und Reparatur auseinandersetzen müssten?

Wird Desktop, Laptop, Smartphone und Co. zum reinen Verbrauchsgut, dass bei Defekt wie eine Glühbirne weggeworfen und durch ein neues ersetzt wird?

Ich habe keine Antwort aber stelle fest, dass ich wieder mal stark abschweife. 😉

Traue keiner Statistik …

Heute wieder mal eine waschechte Leseempfehlung. 📰 🧠

Der FAZ-Artikel „Wie ein Statistik-Irrtum Donald Trump geholfen hat“ beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Paradox des Beschäftigungseinbruchs im produzierenden Gewerbe der USA bei gleichzeitig hohen Produktionszahlen.

Als Teaser nur soviel – es stellt sich heraus, dass die Produktionssteigerungen in den 2000er Jahren auf Fehler in der Statistikerfassung zurückgehen und man demzufolge jahrelang die falschen Schlüsse gezogen und Entwicklungen völlig falsch gefördert hat.

So ist es gar nicht das viel bemühte Schreckgespenst der Automatisierung sondern offenbar der Eintritt Chinas in die WTO und unterschätzte Globalisierungseffekte, die für den Niedergang in der amerikanischen Fertigung verantwortlich sind.

Dem daraus entstandenen „Rust Belt“ und dessen frustrierten Arbeitern verdankt Donald Trump nach einhelliger Meinung seine Wahl.

Weiter will ich den Artikel aber gar nicht ausführen. Ihr sollt ihn ja schließlich noch lesen. 🙂

Besonders faszinierend finde, dass gefühlten Mythen oder unhinterfragtem Halbwissen mit einem unvoreingenommenen Blick auf harte Zahlen und Fakten begegnet wird. Außerdem ist zu erwähnen, dass der Autor sich bemüht, eine Lösung für das herausgestellte Problem aufzuzeigen. Sieht man heutzutage leider selten.

Das Bonmot „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“ scheint sich hier wieder einmal bestätigt zu haben. 😉

Martin Holland + Digital Blacksmiths Network

Aufgrund der durch hohe Umgebungstemperaturen verminderten Denkgeschwindigkeit belasse ich es für diese Woche bei zwei Leseempfehlungen. 🙂

Bei der ersten handelt es sich um mein altes Steckenpferd der asozialen Silicon-Valley-Milliardäre. Angesichts Apples gerade stattfindender WWDC 2018 (Entwicklerkonferenz) und dem frisch heraufziehenden neuen Facebook-Datenskandal, den die NewYork-Times mit ihrem sonntäglichen Artikel angestoßen hat, ist der Kommentar von Martin Holland auf heise.de unter dem Titel „Musk, Zuckerberg, Cook & Co. schaden der Gesellschaft“ finde ich eine prima Ergänzung und liegt zu dem auf einer Linie mit früheren Beiträge zu dem Thema.

Als Kontrast und für einen versöhnlichen Ausblick, empfehle ich eine faszinierende Artikelserie in der aktuellen Ausgabe des englischen Hackspace Magazins.

Sie beschreibt das Digital Blacksmiths Network der britischen Wohltätigkeitsorganisation TechforTrade.

Grob gesagt entwickelt und baut man in Entwicklungsländern 3D-Drucker mit Hilfe von recyceltem Elektroschrott, nutzt lokale Plastikabfälle wie Einwegflaschen und verarbeitet das gereinigte und geschredderte Grundmaterial zu Filament für schon erwähnte Drucker. Alles fair gehandelt und bekämpft als Bonus gleichzeitig das Plastikmüllproblem.

Ein dritter Artikel (neben 3D-Drucker und Filament Extruder) schreibt über die Bemühungen mit den neuen Möglichkeiten im kenianischen Bildungssystem die MINT-Fächer (im englischen „STEM“) zu fördern.

Ein genanntes Beispiel dafür sind aus 3D-Druckteilen und einem Raspberry Pi samt Kameramodul zusammengesetzte billige Mikroskope, die aufgrund des geringen Preises kenianischen Schulen in größerer Zahl zur Verfügung gestellt werden können.

Computer bäh!

Um den Einstieg ins Jahr 2018 kurz zu halten, bleibt es für den ersten Beitrag bei einer Leseempfehlung.

Ursprünglich wollte ich den Einstieg sogar als „einfach“ klassifizieren, musste aber aufgrund des bildungssprachlichen Niveaus in dem dreiteiligen Telepolis-Interview des Soziologen Werner Seppmann anlässlich seines neuen Buches Kritik des Computers zurückstecken.

Einige der Absätze waren trotz mehrfachem Lesen für mein Gehirn schwer bis gar nicht verdaulich. Bei Ideenmangel könnte ich aus besagter Artikelreihe locker einen Jahresvorrat an Wortschatz-Beiträgen generieren. 😉

Trotzdem und auch wenn man vielleicht nicht jeder These zustimmen möchte, hat mich das Interview doch einige meiner Ansichten überdenken lassen. In der zugegeben polemischen Ansicht, dass Mark Zuckerberg für mich der lebendig gewordene Teufel ist – so es ihn denn wirklich gibt – hat mich das Interview dagegen bestärkt. Ist doch auch schon etwas wert.

Schade, dass die Bildungssprache des Interviewten auf der einen und die teilweise abscheulich schlechte Rechtschreibung/Grammatik des Artikelautors auf der anderen Seite wohl dafür sorgen werden, dass die angerissenen Themen weiter keine breitere Öffentlichkeit finden werden. Auch bei Telepolis hat man offenbar das Lektorat abgeschafft. 😦

Wenn das Buch ähnlich sprachlich komplex verfasst wurde, ist in meinen Augen wieder mal eine Chance verspielt worden, die Leute intellektuell mitzunehmen.

Fast schon komisch, wenn das Internet als Informationsmedium einerseits dafür kritisiert wird, dass es keine sozialen Differenzen einebnet und Bildungsbarrieren abbaut, aber andererseits für das Verständnis des Interviews ein Universitätsstudium oder zumindest ein aktueller Fremdwörterduden von Nöten ist.

Selbst wenn der Vergleich hinkt, ist es damit leider nicht Teil der Lösung. Dazu muss man allerdings ergänzen, dass es laut eigener Aussage auch nicht Herrn Seppmanns Ziel war. Viel mehr geht es um eine

… schonungslose Bestandsaufnahme der problematischen Aspekte der Digitalisierung