Lobo-sphärisch

Starten sollte ich diesen Artikel wohl mit dem Geständnis, das ich diesen schon dutzende Male gedanklich verfasst und dann doch immer wieder verworfen habe. Geht es doch im Wesentlichen um subjektive Kritik an Sascha Lobos Podcast beziehungsweise Ausdrucksweise, die streng genommen mehr mein Problem als das von Herrn Lobo ist.

Zuvor aber die in solchen Fällen üblichen, über den grünen Klee lobenden Worte. 🍀😁

Zunächst mal bin ich ein großer Fan sowohl von Herrn Lobos Kolumne als auch seinem Podcast. Ich würde mich wie er selbst politisch linksliberal-demokratisch und als großer Anhänger unserer sozialen Marktwirtschaft verorten, weshalb ich mit seinen Thesen oder Meinungen meist übereinstimme.

Selbst in den anderen Fällen haben mich seine Artikel und auch der Podcast stets zum Nachdenken gebracht, seinen Standpunkt verstehen oder teils auch meine eigenen Überzeugungen überdenken lassen.

So war ich beispielsweise bisher immer der verbissenen Ansicht, dass ein „guter“ Presseartikel für mich nicht nur Probleme anprangern sondern – wenn auch nur ansatzweise – zur Lösung beitragen sollte. Seine Ausführungen dazu haben mich verstehen lassen, warum manchmal „Kritik üben“ ausreicht.

All dies zur Erklärung, damit klar wird, aus welcher Ecke die Kritik kommt. Wenn ich also wie im Folgenden subjektive Kritik übe, dann zum einen, um zu erfahren, ob es dem einen oder anderen Leser/Hörer eventuell ähnlich geht und schlussendlich natürlich als dilettantisch vorgetragenes, konstruktives Feedback.

Lobo-Sphaere

Komplexe „Lobo“-Sphäre (vgl. Dyson)

Zuerst wäre da der Lobo’sche Sprachduktus, der mir regelmäßig einen Bublath’schen Flashback in meine Jugendtage beschert. Wort- und Silbenbetonungen an abenteuerlichen Satzstellen, gepaart mit Bildungssprachvokabelkanonaden gefolgt von exotisch platzierten Sprachpausen machen das Zuhören für mich manchmal zur akustischen Folter. Nach einer halben Stunde zehrender Konzentration muss ich regelmäßig eine Hörpause einlegen, sonst würde mein auditiver Cortex wohl einen Spasmus entwickeln. 😉

Wie oben schon angedeutet, könnte dies durchaus auch nur ein persönliches Problem sein. Es interessiert mich trotzdem, ob jemand von euch genauso denkt. Empfindet ihr längeres Zuhören als ebenso anstrengend? Geht euch der Sprachrhythmus und die Betonung salopp gesagt auch nach einiger Zeit „auf die (Hör-)Nerven?“

Schon seit seinen früheren Reden auf der re:publica schwanke ich immer zwischen dem Unverständnis, dass man mit so einem gefühlt verbesserungsfähigen Vortragsstil als professioneller und bezahlter Redner durchgehen kann und der leisen Hoffnung, dass ich an meine unzählbaren Unzulänglichkeit zu hohe Maßstäbe anlege.

Der andere große Kritikpunkt betrifft Satzbau und vor allem Wortwahl.

Die oben schon erwähnten bildungsprachlichen Einschläge lassen mich regelmäßig zweifeln, ob Herr Lobo damit nur zu einem abgeschotteten Klientel „predigt“, wenn es doch eigentlich angebracht wäre Artikel und Podcast so zu formulieren/zu verfassen dass sich auch Leute ohne Fremdwörterduden an einer gesellschaftsrelevanten Diskussion beteiligen.

Es mag nur meine persönliche Ansicht sein, aber wer breite Diskussionen zu einem Thema wie den gesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung anregen will, sollte in Vokabular und Satzbau wie schon Martin Luther „dem Volk aufs Maul schauen“ und nicht ständig seinen Universitätsabschluss heraushängen lassen.

Unabhängig von der Bildungssprache habe ich auch sonst den Eindruck, dass Herr Lobo gewollt oder ungewollt kompliziert formuliert, wenn es doch eigentlich immer viel einfacher und direkter ginge. Wo normalerweise ein Wort reicht, muss es in der Regel ein Stakkato von bis zu drei substantivierten oder adjektivierten Worten sein, die zeitlich im Sprachfluss genauso viel Platz einnehmen und deswegen von einer Denk- oder Atempause begleitet werden. Anstrengend!

Da es nicht bei reiner Theorie bleiben soll, habe ich mich bemüht, die Kritikpunkte an einigen konkreten Beispielen im letzten Podcast („Deutsche Einheit: Plädoyer für den digitalen Soli“) herauszustellen.

Wie wäre es zum Beispiel mit der sphärischen Beschreibung (10:28) oder sphärischen Ahnung (31:12), die für die Grafik oben Pate stand? Versteht ein unbeleckter Zuhörer auf Anhieb, was mit einem „identifikatorischen Moment“ (35:26) gemeint ist?

Ist ein im Gespräch fallen gelassenes lateinisches Sprichwort wie Cum grano salis (21:28) nicht ein Wedeln mit dem Diplom, wenn man es im nächsten Nebensatz sowieso dekodieren muss, statt es gleich „skeptisch zu betrachten“?

Sind radikal kontrastiv geprägte (5:39) Wortbiotope wie die beneidenswert und lobenswert klare Eindeutigkeit (32:14) wirklich für das Verständnis förderlich?

Soviel zu den Beispielen. Zu kleinlich will ich ein über einstündiges Gespräch ja auch nicht auseinander dividieren. Es hat hoffentlich meinen Standpunkt verdeutlicht.

Mehr fällt mir aus Zeitmangel momentan nicht ein. Das schließt auch einen abschließenden Satz mit ein. Deswegen verbleibe ich mit der Einladung mir in den Kommentaren euphorisch und Ja-sagerisch zuzustimmen oder mich verbal gekonnt eines Besseren zu belehren.

Nachtrag ( 11.10.2018 ):

Bild leicht überarbeitet.

Nachtrag ( 20.10.2018 ):

Zitat „beneidenswert und unlobenswert klare Eindeutigkeit“ nach Hinweis von Herrn Lobo korrigiert. Siehe dazu Kommentar unten.

Nachtrag ( 23.10.2018 ):

Zu meiner Überraschung (und Schock) habe ich es mit dem Beitrag in den letzten Podcast (ab 2:55) geschafft. Eindeutig mehr Aufmerksamkeit als mir normalerweise lieb ist.

Wobei an dem geringen Echo von Podcasts (34:05) wohl wirklich etwas dran ist, da laut WP.com-Blogstatistik trotz Erwähnung der Blog-URL tatsächlich nur zwei zusätzliche Aufrufe für den Beitrag verzeichnet wurden. Von daher doch kein Grund sich zu sorgen. 😅

Wenn man die eigenen Worte nochmal als Zitat vorgelesen bekommt, hat das auf einmal einen ungewollt harten Klang. Ich hoffe, meine Kritik kam nicht so unversöhnlich herüber, wie es sich für mich angehört hat.

Das Gesetz der Komik – in meiner Vorstellung ähnlich unbarmherzig wie die spanische Inquisition – hätte mich fast dazu gezwungen, einen Wortschatz-Beitrag zu Parataxengewitter zu verfassen. 😉

2 Gedanken zu “Lobo-sphärisch

  1. Vielen Dank für diese geradezu liebevoll kritische Auseinandersetzung mit meinem Podcast, mit der sehr konkreten Beschreibung kann ich wirklich viel anfangen (keine Ironie). Ich nehme aus der Kritik unmittelbar mit, dass:

    a) „sphärisch“ gegen meine Absicht eine Art Lieblingswort geworden zu sein scheint. Gegen Lieblingsworte an sich ist nichts zu sagen, aber sie sollten schon absichtsvoll gewählt werden und auch mehr konkrete Bedeutung mit sich herumtragen als „sphärisch“.

    b) ich zu kompliziert formuliere. Das muss ich leider widerspruchslos und unironisch akzeptieren. Der Grund dafür ist, dass ich beim Sprechen denke, und deshalb manchmal beim Beginn des Satzes noch nicht genau weiß, wie ich ihn zu Ende führe. Weil ich aber grundsätzlich jeden Satz versuche, grammatisch korrekt zu beenden, ergibt sich eine zu große Komplexität, fast könnte man von Verquastheit sprechen. Statt „beneidenswert und lobenswert klare Eindeutigkeit“ kann man auch „Klarheit“ sagen (das Zitat oben scheint mir nicht ganz korrekt, ich glaube, ich habe bloß aus Versehen „und un“ gesagt). Diese Satz-live-Konstruktion funktioniert ungefähr so wie Kleist es beschrieben hat mit dem Aufsatz: „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“. Die für viele ungewohnte Kompliziertheit entsteht auch dadurch, dass ich versuche, jeden Anfang gewissermaßen „zu retten“, und zu einem sinnvollen Ende zu bringen. Ich weiß aber um dieses Manko, finde es selbst nicht sooo super und werde mich deshalb bemühen, zwar präzise, aber weniger verkopft und verquast zu reden. Hoffentlich gelingt es.

    c) ich Fach-, Fremd- und Seltsamworte verwende, die nicht alle gleich gern haben oder gleich gut verstehen. Stimmt unbedingt, ich habe schon ein paar Mal versucht, diese Worte direkt danach auch zu erklären (wenn ich mich richtig erinnere, war es so auch bei „cum grano salis“), das ist dann ein kurzer Bildungstrack im Podcast. Aber ich überlege mal, ob das notwendig ist oder ich nicht allgemeinverständlicher bleiben sollte.

    d) meine Sprachführung und Sprachmelodie nicht jederleuts Sache ist. Das wusste ich schon vorher, auch bei Vorträgen ist es so, manche mögen diesen, naja, Singsang, die Pausen an merkwürdigen Stellen, die leicht künstlich anmutende Betonung, manche mögen es nicht, manche kriegen sofort Zitterkrämpfe. Ich kann mal versuchen, das im Podcast zu reduzieren, auch wenn ich vieles davon verinnerlicht habe durch einige Hundert Vorträge, zum Beispiel. Aber der Podcast soll ja für mehr Menschen funktionieren.

    Danke!

    • Sehr geehrter Herr Lobo,

      das eine prominente Person den Blogbeitrag eines Long-Tail-Blogs mit gefühlt drei regelmäßigen Lesern kommentiert, war zunächst mal ein (positiver) Schock. Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet. Auf der anderen Seite zeichnet sie ihr sachlicher Umgang mit Kritik und Kommentaren aus, weshalb ich mich dann doch wieder über meine Überraschung wundere.

      a) Die Sache mit dem „sphärisch“ ist so ein Punkt, der eigentlich gegen den Beitrag gesprochen hat. Eigentlich steht es mir nämlich nicht frei, den ersten (biblischen) Stein zu werfen, da ich selbst zum Lieblingswort neige. Bei mir ist es „praktisch“.

      Aber da der Beitrag praktisch ein schönes Bild brauchte und mir bei „sphärisch“ spontan die Dyson-Sphäre der Star Trek Folge „Besuch von der alten Enterprise“ einfiel, musste ich es sphärisch gesehen durchziehen.

      Wenn ich übrigens gezwungen wäre, das Bild zu interpretieren, würde ich sagen, das Charakteristikum einer Lobo-Sphäre im Unterschied zur Dyson-Sphäre ist, dass sie in den Pol-Regionen nicht ganz dicht ist, und demzufolge dort heiße Gase des sie umgebenden Sterns an der Oberfläche austreten. 😉

      b)

      … beim Beginn des Satzes noch nicht genau weiß, wie ich ihn zu Ende führe.

      Vielen Dank für diesen Einblick, der mich zumindest verstehen lässt, wie die jeweilige Formulierung zu Stande kommt. „Being Sascha Lobo“ sozusagen. „Verquastheit“ war übrigens das Wort, das mir in diesem Zusammenhang nicht eingefallen war. Genau diese ist streng genommen – abgesehen vom Bildungsspracheinschlag – der einzig wahre Kritikpunkt.

      Ich vermute, es ist nicht schwer, aus den Rändern der Gesellschaft Kommentare zu provozieren. Schwer ist es, die bürgerliche Mitte anzusprechen bzw. zu einer Reaktion zu bewegen. Genau da habe ich die Sorge, dass die Art der Formulierung dazu führt, das sich nicht mit den Inhalten des Vortrags/Artikels/Podcasts auseinandergesetzt wird, weil der Input bequemerweise an der Verquast-Firewall im eigenen Kopf weg gebürstet wird.

      Als Bürger-/Netzlobbyist, der sie in meinen Augen sind, wünschte ich mir, dass sie ein breiteres Publikum erreichen. Meine Befürchtung ist allerdings, dass sie mit Formulierung und Bildungssprache nur die sprichwörtlich offenen Türen bei den Leuten einrennen, die ihnen sowieso zustimmen.

      c)

      Aber ich überlege mal, ob das notwendig ist oder ich nicht allgemeinverständlicher bleiben sollte.

      Das könnte durchaus eine Geschmackssache sein. Ich persönlich empfinde es als Zeitverschwendung / Ablenkung . Wenn man sich bemüht, die fallen gelassenen Bildungsvokabeln als Bildungstrack auszuführen, lenkt das nach meiner Meinung zu stark von dem roten Faden ab, den man seinen Zuhörern vermitteln will. Vom Bildungstrack zum Off-the-track sozusagen. Ich persönlich bevorzuge schlichte Eleganz.

      Je weniger Worte nötig sind, um einen Gedanken zu vermitteln , desto kürzer der Weg ins Hirn. Das schließt übrigens auch mehr Grafiken in den Vortragsfolien und weniger Powerpoint-typische Textwüsten mit ein. Aus den tausenden Websites mit klugen Ratschlägen für den perfekten Vortrag kann ich momentan nur How to simplify your presentation without dumbing it down anbieten. Sie hat mich begreifen lassen, das einfach verständliche Inhalte viel Arbeit erfordern.

      d)

      … meine Sprachführung und Sprachmelodie nicht jederleuts Sache ist.

      Das ist der Kritikpunkt, der dem Beitrag immer am meisten im Weg stand. Mir ist bewusst, dass er höchst subjektiv ist. Wie sie schon schreiben – manche mögen es, manche eben nicht. Ich zähle mich zur zweiten Fraktion aber das ist wie im Beitrag geschrieben mehr mein als ihr Problem. Ich habe das nur der Vollständigkeit halber und wegen meines Bublath-Flashbacks erwähnt.

      Ich bin normalerweise auch kein Freund dieser speziellen Krittelei, weil man Leute beispielweise auch nicht dafür kritisiert, wie sie lachen. Überhaupt ist dieses Teilgebiet für mich ein wahres Minenfeld, wo sich schlecht objektiv diskutieren lässt und man ständig Gefahr läuft, dass es schnell zu persönlich wird. Das ist auch der Grund, warum ich den Beitrag in der Vergangenheit schon mehrere Male verworfen habe.

      Ich kann mal versuchen, das im Podcast zu reduzieren, auch wenn ich vieles davon verinnerlicht habe …

      Der Versuch spricht natürlich für sie. Ich befürchte allerdings, es ist wie mit dem alten Hund und den neuen Tricks, selbst wenn die Mythbusters dies bereits widerlegt haben.

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